– Gefährdungsbeurteilung muss psychische Gefährdungen einbeziehen –
Im neuen §4 und § 5 des ArbSchG werden nun auch die psychischen Belastungen als zu berücksichtigende Gefährdungsfaktoren ausdrücklich genannt. Der Gesetzgeber stellt damit klar, dass psychische Belastungsfaktoren in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen sind.
Der vom Bundesrat verabschiedete und damit gültige Gesetzestext lautet nun (Änderungen unterstrichen):
§ 4 Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
- Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
- Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
- bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
- Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
- individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
- spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
- den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
- mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.
§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
- Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
- Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
- Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
- die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
- die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
- unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
- psychische Belastungen bei der Arbeit.
Grundsätzlich sind Gefährdungen von außen einwirkende Belastungen, die in Abhängigkeit von den vorhandenen Bewältigungsvoraussetzungen demotivierend und gesundheitsschädigend wirken können. Die Wirkung von Belastungen wird als Beanspruchung bezeichnet und kann sich von Person zu Person stark unterscheiden.
Die Gefährdungsbeurteilung erfasst auch hausgemachte und damit unnötige Fehlbelastungen. Monotonie bei der Arbeit, fehlende Absprachen, unklare Verantwortlichkeiten, unangemessene Kritik, Arbeitsunterbrechungen oder Konflikte im Team sind dafür nur einige Beispiele. Die daraus folgenden Fehlbeanspruchungen sind nicht selten innere oder tatsächliche Kündigungen. Einige Beschäftigte finden einen Weg, damit umzugehen, andere werden krank und fehlen dem Unternehmen über Wochen oder Monate. Auch Frühverrentungen aufgrund chronischer Fehlbeanspruchungen sind denkbar und haben in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Mittlerweile sind über 40% (!) der Frühverrentungen psychisch bedingt. Ärgerlich ist es, wenn Unternehmen aufgrund hausgemachter Probleme erfahrene Kollegen oder Kolleginnen verlieren.
Insofern ist die Beurteilung der psychischen Gefährdungen auch ein qualitätssicherndes Führungsinstrument, das die tätigkeitsbezogenen, organisationalen und sozialen Prozesse erfasst und durch Maßnahmen weiter verbessert.